Politik, Stiftung Humanitäre Hilfe, Deutsche AIDS-Hilfe & Betroffene an einem Tisch. An diesem Abend erlebten wir etwas, was es in dieser Form noch nie geben hatte, was aber seit Jahrzehnten überfällig ist. Alle Involvierten waren an diesem Abend öffentlich ansprechbar. Vorträge, Podiumsdiskussion, Image-Film & sieben leere Stühle. Genaueres dazu hier.
Unsere ReferentInnen:
Frau Maria Michalk (MdB, Gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU)
Frau Mechthild Rawert (MdB, Gesundheitspolitische Sprecherin der SPD)
Herr Holger Wicht (Pressesprecher der Deutschen AIDS-Hilfe)
Herr Jürgen Möller-Nehring (Betroffener & Vertreter des VOB e.V.)
An der anschließenden Podiumsdiskussion beteiligte sich zudem Frau Dr. Susan Halimeh (Stiftungsrat Humanitäre Hilfe, Hämophilie-Behandlerin).
Auch das Ärzteblatt war vertreten & berichtete am darauffolgenden Tag ausführlich über die Veranstaltung sowie die Hintergründe (siehe "Presse").
Aufgrund einiger zeitgleicher namentlicher Abstimmungen im Bundestag wurde die bis dato nahtlos sitzende Organisation des Politcafés kurzfristig auf die Probe gestellt. Trotz ihrer intensiven Bemühungen war es Frau Bärbel Bas (MdB, Gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Stiftungsrat Humanitäre hilfe) & Frau Kordula Schulz-Asche (MdB, Gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen) leider nicht möglich, das Politcafé zu besuchen. Wir durften aber darüber hinaus Frau Ruth Wucherpfennig-Krömer (Mitarbeiterin von Frau Bas), Frau Ronja Kemmer (MdB, CDU), Herrn Stephan Heine (Mitarbeiter von MdB Dr. Andreas Lenz CSU) sowie Frau Sabrina Anastasio (Mitarbeitern von MdB Hubert Hüppe CDU) als unsere Gäste begrüßen, worüber wir uns sehr freuten & was wir als Geste der Solidarität annahmen.
Inhalt:
- Eröffnet wurde die Veranstaltung durch den Vortrag des schriftlichen Grußwortes von Frau Prof. Dr. Rita Süssmuth (Gesundheitsministerin zu Zeiten des Blutskandals - siehe Download unten).
- Frau Michalk & Frau Rawert fokussierten anschließend den Änderungsantrag zum HIVHG der Regierungsfraktionen mit der für die Betroffenen positiven & zentralen Auswirkung "lebenslange Entschädigungszahlung" durch die Stiftung Humanitäre Hilfe. Bedingt wird diese Änderung durch ein Omnibusgesetz zur "Blut- & Gewebezubereitung".
Am 25.04. findet eine Anhörung im Parlament im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens statt. Frau Michalk will sich dafür einsetzen, dass hier auch Stimmen der Betroffenen Gehör finden. Auf lange Sicht sollte dies durch die Präsenz des VOB e.V. eine Selbstverständlichkeit erlangen, ohne, dass sich hierfür explizit jemand einsetzen muss. Wir hoffen, dass bis zur Anhörung auch unser Verein seine Eintragung in's Vereinsregister erfährt. Fest steht, dass Betroffene bereits über die Stiftung Humanitäre Hilfe Informationen über unseren VOB e.V. erhalten & der Informationsfluss muss noch besser werden.
- Herr Wicht sprach das Thema um die moralische Verantwortung der Pharmaindustrie sowie des DRKs an & wie wichtig das Engagement der Betroffenen in der Öffentlichkeit sei. Während er die Kampagne lobte, fand er Worte dieser Art nicht für die Passivität der Unternehmen, welche die DAH mit einem offenen Brief Ende 2016 bezüglich ihrer Verpflichtung gegenüber den Opfern anschrieb & zur Handlung ermahnte. Die DAH erhielt hierauf bis heute keine Antwort.
- Unser Mitstreiter Jürgen Möller-Nehring verdeutlichte das Leid, welches Betroffene seit Beginn des Skandals erfuhren & noch erfahren & wie wichtig es sei, diesen Menschen eine (Entscheidungs-)Stimme zu verleihen. Der VOB e.V. nimmt eben jenen in den Hämophilieverbänden vorherrschenden Mangel als neue Aufgabe an & sieht sich primär in der Verpflichtung, Opfer des Blutskandals sowie Angehörige ordentlich, authentisch, objektiv in seiner Handlung & Struktur aber auch subjektiv in seiner Wahrnehmung gegenüber den Bedürfnissen der Opfer zu vertreten. Diesen Punkten wurde von den Hämophilieverbänden bisher anscheinend nur unzureichend entsprochen.
- Frau Dr. Halimeh sprach sich dafür aus, vor allem das DRK als ebenfalls zentral mitverantwortliche Organisation in die Pflicht zu nehmen, da dieses sich schon über Jahre hinweg nur mit gestenhaften Zahlungen an der Entschädigungssumme für Betroffene beteiligte.
"Die Lücken in unserem Leben"
Nach der Vortragsreihe wurde der Image-Film der Blutskandal-Kampagne zum ersten Mal vorgeführt. An diesem Film wirkten Betroffene, Angehörige & Freunde mit. Er stellt in zwei Minuten Gesichter, Stimmen & Forderungen der Kämpfer dar. Ihr findet ihn hier.
Es folgte eine Schweigeminute mit Inszenierung. Vor dem Publikum wurde eine Reihe aus zehn Stühlen aufgebaut. Das Schlussbild zeigte einen Betroffenen auf dem ersten Stuhl & zwei weitere Betroffene auf den letzten beiden Stühlen sitzen. Zwischen ihnen symbolisch sieben leere Stühle. Mit dieser Szene sollte dargestellt & verbildlicht werden, welche tiefe Furchen der Blutskandal in das Leben so vieler Betroffener, in so viele Familien & in so viele Existenzen riss. Die Schweigeminute, welche zu dieser Szene abgehalten wurde, verdeutlichte sicher allen, dass es hier auch um all jene geht, die diesen Kampf nicht mehr miterleben konnten & die von einer zukünftigen ansatzweise gerechten Lösung nichts mehr haben werden.
Danach begann die Podiumsdiskussion, in der vor allem viel Unverständnis gegenüber der Politik dafür geäußert wurde, dass Hepatitis C immer noch nicht entschädigt wird. Das Hinhören & aktuell schnelle Handeln der Politik ist für uns wertvoll & entspricht dem Wunsch & dem Bedürfnis der meisten Betroffenen. Im Bezug zur Beteiligung der Industrie & des DRK gab es keine konkreten Aussagen. Anscheinend jedoch sind die Versuche seitens der Politik, eine weitere Beteiligung der Verantwortlichen, vor allem im Hinblick auf eine rückwirkende Dynamisierung, noch nicht beendet. Auf lange Sicht müssen wir uns aber alle darauf einstellen, dass die Bundesregierung unser einziger Ansprechpartner sein wird, was die Zahlungen, deren Höhe & künftige Forderungen anbetrifft. Dies hat auch sein Gutes, denn das ständige Verhandeln mit Industrie & DRK, was als permanente Bittstellerfunktion der Politik bezeichnet werden kann, würde damit enden & etwaige Entscheidungsprozesse beschleunigen. Der moralische Aspekt, dass Schuldige auch dauerhaft zur Verantwortung gezogen werden müssten, darf nicht im Vordergrund stehen, denn ihm wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr entsprochen.
Fest steht auf jeden Fall: Noch vor den Wahlen sollen Änderungen das HIVHG beschlossen werden, womit die lebenslange Entschädigungszahlung im Konsens aller Fraktionen stichfest gemacht wird. Nach den Wahlen bemüht sich vor allem die SPD nachhaltig um die konkrete Umsetzung der Dynamisierung, welche für 2019 veranschlagt ist. Die Blutskandal-Kampagne steht weiterhin dafür ein, dass auch eine Einmalzahlung durch die bisher nicht beachtete Dynamisierung stattfindet & rückt auch das Thema HCV-Entschädigung fortan in's Zentrum der Kampagnenarbeit.
Großer Dank gilt der Berliner Aids-Hilfe, welche für diese Veranstaltung das Ulrichs Café zur Verfügung stellte, sich um alle Anliegen professionell & freundlich kümmerte, Dank gilt Cornelia Michel & Andreas Bemeleit (Netzwerk Robin Blood), welche unsere Gäste durch ein vorzügliches Buffet & das Bereitstellen aller Getränke wunschlos glücklich machten, Dank gilt Doris Willmer für die professionelle Moderation & Dank gilt auch allen TeilnehmerInnen für einen lebhaften, interessanten & fortschrittlichen gemeinsamen Abend, den wir so schnell nicht vergessen & in Zukunft sicher in ähnlicher Form erneut abhalten werden!